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Wie aus der Historie des Fahrradbaus sicher
erinnerlich, wo der Ausdruck "Tandem" zuerst seinen
fixen Platz im Sprachgebrauch erobert hat, ist ein Tandem
ein Gerät für zwei. Dort ein Fahrrad, hier ein Fallschirm.
Während beim Fahrrad der Pilot allerdings vorne sitzt,
befindet er sich am Fallschirm hinten und ist mit dem Passagier
durch ein unzerreißbares Gurtzeug verbunden, und während
es auf dem Fahrradtandem keinen eigentlichen Passagier gibt,
weil dort gefälligst beide zu treten haben, hat am Fallschirmtandem
nur der eine die Arbeit, während der andere genießen
kann.
Zwei an einem? Why not, hat sich vor ein paar Jahren ein findiger
Amerikaner (wer sonst) gefragt, und hat einen überdimensional
großen Fallschirm konstruiert. Groß allein, das
reichte natürlich nicht.
Es mußte bedacht werden, was alles passieren kann, wenn
da zwei Individuen an einem Schirm zur Erde schweben wollen,
von denen nur der eine Ahnung hat, was wie warum passiert.
Technik, Handling, Aerodynamik, Belastbarkeit und vieles andere
mußten überlegt und durchgerechnet werden, ein
sicheres Ausfallsystem mußte geschaffen werden.
Heute befinden sich in der voluminösen Verpackung eines
"Tandemsystems" zwei identische Schirme, damit nichts,
aber auch schon gar nichts schiefgehen kann. Bei den Schirmen
gibt es nur drei anerkannte Systeme, die beide in buchstäblich
hunderttausenden unfallfreien Sprüngen getestet wurden
(wenn man einmal von dem einen oder anderen gebrochenen Hax'n
absieht, den man sich aber auch auf der Kellerstiege zuziehen
kann). Jeder Tandempilot muß zuerst einmal mehr als
500 Sprünge alleine absolvieren, fast immer sind Tandempiloten
auch Fallschirmsprunglehrer. Danach erst darf er mit der umfangreichen
Ausbildung zum "Tandemmaster" beginnen, die bis
vor kurzem überhaupt nur in den USA zu erhalten war.
Was ist dran?
Was macht das Tandemspringen so reizvoll? Da scheiden sich
die Geister. Unmittelbar vor dem ersten Sprung finden die
meisten das ganze Unternehmen nicht mehr ganz so reizvoll
wie noch eine Stunde zuvor, aber das liegt in der menschlichen
Natur. Nach dem Erlebnis hingegen schwärmen die einen
vom freien Fall, hat dieser ihnen viel zu kurz gedauert, während
die anderen die Schirmfahrt, also das Schweben am geöffneten
Schirm, besonders genossen haben und am liebsten schon von
ganz oben schirmgefahren wären.
Wie es geht
Für beide Geschmäcker wird tunlichst gesorgt: Die
Ausstiegshöhe, in der das Flugzeug verlassen wird, liegt
zwischen 3000 und 4000 m über Grund oder darüber.
Dann fallen die Springer, die einzelnen ebenso wie die Tandemgespanne,
mit 200 km/h der Erde entgegen. Brillen schützen die
Augen vor dem scharfen "Gegenwind", klar und wie
unter einer Glasplatte liegt die Landschaft unter den Springern
und wird nur unmerklich größer.
Gespräche zwischen Piloten und Passagier sind nur in
eine Richtung möglich, denn was der Passagier in seiner
Verzückung von sich gibt, verbläst der Wind, während
der Pilot direkt ins Ohr seines Schützlings sprechen
kann.
Die Minute bis zur Schirmöffnung, die in etwa 1200 m
über Grund erfolgt, vergeht für die meisten viel
zu rasch, manche aber berichten auch, es hätte unglaublich
lange gedauert. Jeder erlebt das Außergewöhnliche
auf seine individuelle Art. Mit einem sanft gebremsten Ruck
öffnet sich schließlich der "Lastenschirm",
der Sturm und der Lärm sind vorüber, bestenfalls
noch ein leises Knattern aus dem "Segel" über
den Köpfen ist zu vernehmen. In ruhigem Gleitflug nähert
sich der Schirm der Erde mit einer Sinkgeschwindigkeit von
etwa 3 m/sec und dauert so etwa zwischen 5 und 7 Minuten.
Dann setzt das Gespann, vom Piloten noch einmal zusätzlich
eingebremst, sanft auf. Es ist wie ein Schritt aus Sesselhöhe
zur Erde. Dazu kommt, daß der Pilot vorerst alleine
landet, weil der Passagier "befehlsgemäß"
von kurz über dem Boden bis knapp nach der Landung seine
Beine anzuziehen und seinem Piloten die Arbeit zu überlassen
hat.
Voraussetzungen zum Tandemspringen
Was braucht der Passagier, der Tandemspringen will? Er sollte
einen guten allgemeinen Gesundheitszustand aufweisen und nicht
(viel) über 90 kg auf die Waage bringen, das ist eigentlich
schon alles.
Wann und wo
Wie kommt der Normalsterbliche zu einem Tandemsprung? Da
gibt es mehrere Möglichkeiten. Entweder er hat Glück
und wird beschenkt, denn es sind zum Tandemspringen Gutscheine
bei luftfahrer.at zu bekommen.
Oder er bucht direkt bei luftfahrer.at sein eigenes luftiges
Vergnügen.
Anmeldungen sind unbedingt erforderlich, damit wir Ihnen
(gutes springbares Wetter vorausgesetzt) auch Ihren Termin
garantieren können.
Mitbringen sollte der Passagier
bequeme Freizeitkleidung und Sportschuhe. Der Nadelstreif
ist ebensowenig gefragt wie der durchgestylte Spezialoverall.
Nach einer zehnminütigen Einweisung erhält der Anwärter
seinen Sprunganzug und das zu seiner Größe passende
Gurtzeug, und ab geht es ins Flugzeug. Es kann übrigens
nicht schaden, eine Viertel- oder auch eine halbe Stunde vor
einem vereinbarten Termin zu erscheinen, um einen stockungsfreien
Flugbetrieb zu gewährleisten.
Der Tandempassagier als Videostar
Noch eins: Selbstverständlich kann das Erlebnis zum
eigenen Vergnügen oder zur Vorführung im Freundeskreis
vom Einsteigen ins Flugzeug bis zur Landung am Schirm dokumentiert
werden. Auf Wunsch (und natürlich, wie bei allen Dingen
dieses Lebens, gegen Bezahlung) springt ein weiterer Springer
mit, der von der Video- bis zur Kleinbildkamera alles, was
gut, teuer (und leider auch schwer ist), auf seinem soliden
Helm befestigt hat und am Boden, im Steigflug, im Freifall
und dann wieder bei der Landung selbst jede Geste und jede
Grimasse, jedes Salto und jede Drehung naturgetreu festhält
und der Nachwelt überliefert.
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